Die Schirmherren für KENAKO 2019
Dr. Karamba Diaby
“Es ist an der Zeit für mehr Menschlichkeit”
Im Streit der Ideen müssen die Gesprächspartner*innen immer und immer wieder argumentieren – all das, “um der stärkeren Festigung der Wahrheit willen”, schrieb der Philosoph Anton Wilhelm Amo vor über 250 Jahren. Als erster Schwarzer Mensch in Europa studierte er an der Universität Halle. Ihm entging damals nicht die wirtschaftliche Expansion Europas durch die massive Sklaverei, dessen Opfer er selbst wurde. Amo war 1700 in Nkubeam, einem Dorf im heutigen Ghana, geboren und von einer niederländischen Handelskompanie versklavt und nach Amsterdam verschleppt worden. Später kam er nach Lüneburg-Wolfenbüttel. Amo gilt als ein Vordenker des Antikolonialismus’. Sein Appell für einen Dialog und einen Austausch von Argumenten hallt bis heute nach.
Doch heute sieht es weiterhin schwierig aus: Die Wahrheit wird häufig überdeckt durch Hass. Es werden kaum noch Argumente ausgetauscht, sondern Positionierungen. Die Gesellschaft braucht keine Spaltung, sondern mehr Zusammenhalt. Auch die Sicht auf Afrika ist vernebelt. Es ist schon lange klar, dass die europäische Handelspolitik reformiert werden muss. Doch es passiert kaum etwas. So leiden viele Landwirt*innen in afrikanischen Staaten unter den Lebensmitteln, die aus der EU importiert und von der EU subventioniert werden. Die Preise werden gedrückt und zwingen Bauern zum Aufgeben. Durch die Zerstörung der Lebensgrundlagen steigt die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft, die in Europab gesucht und durch die Überquerung der lebensgefährlichen Mittelmeerroute erreicht werden soll. Gleichzeitig drohen in manchen europäischen Ländern Strafen für die unzähligen Seenotretter. Auch deshalb sage ich: Es ist an der Zeit für mehr Menschlichkeit in der Politik. Es ist an der Zeit für mehr Erinnerungskultur. Und es ist an der Zeit für mehr Dialoge. Das Kenako-Festival bietet uns genug Raum dafür.
Liebe Besucherin, lieber Besucher,
Ke Nako bedeutet „Es ist an der Zeit“.
Es ist an der Zeit zu erkennen, dass wir verbunden sind in der Welt, dass Afrika und Europa nicht nur Nachbarn sind, sondern Partner sein können. Denn die Welt ist ein globales Dorf. Und Afrikas Zukunft bestimmt auch unsere Zukunft hier in Deutschland und in Europa.
Es ist an der Zeit, dass wir hier begreifen: Afrika ist nicht arm, Afrika ist reich! Wiege der Menschheit, als Kontinent 85 Mal so groß wie Deutschland, mit 54 Ländern, 2.000 Sprachen, reich an Naturschätzen, Landschaften, Tieren und Pflanzen. Vor allem aber ist Afrika reich an Kulturen und an jungen Menschen, die kreativ und erfindungsreich sind.
Auf meinen Reisen durch den Kontinent spüre ich überall Aufbruch: Bau-Boom, Start-ups, Energieprojekte. Das erfolgreichste mobile Bezahlsystem der Welt (M-Pesa) stammt nicht aus Silicon Valley, sondern aus Silicon Savannah in Kenia. Das modernste Solarkraftwerk der Welt steht in Marokko – erbaut mit deutscher Unterstützung. Vier der zehn weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaften liegen in Afrika. In vielen Teilen Afrikas boomt die Kreativwirtschaft: Musik, Mode oder der Film, letzterer zum Beispiel in Nigerias “Nollywood”.
Zugleich bleiben große Herausforderungen: Hunger, Armut, Kriege, Klimawandel – wie vor wenigen Monaten der Zyklon „Idai“ in Malawi, Mozambik und Simbabwe. Afrika wird in 15 Jahren die größte Jugendgeneration der Welt haben. Das ist ein Potenzial – aber auch eine Herausforderung, denn diese jungen Menschen wollen Arbeit, Einkommen, sie wollen eine Perspektive haben und sich sinnvoll einbringen in ihre Gesellschaften.
Mit ihrer „Agenda 2063“ haben sich die afrikanischen Länder ambitionierte Ziele gesetzt für ein prosperierendes Afrika. Mit dem „Marshallplan mit Afrika“ haben wir im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein Konzept für eine neue Art der Zusammenarbeit entwickelt.
Damit unterstützen wir dort, wo die afrikanischen Länder selbst auch ansetzen wollen: mehr private Investitionen anziehen, mehr Wertschöpfung vor Ort, mehr “Made in Africa”. Damit junge Menschen eine Zukunftsperspektive bekommen, fördern wir Bildung und Ausbildung; wir unterstützen den Kampf für mehr Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption. Wir machen uns stark für faire Handelsbedingungen zwischen Afrika und Europa. Das schließt auch den Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit ein.
Das KENAKO Afrika Festival zeigt einen Ausschnitt aus dem Reichtum Afrikas. Dafür möchte ich mich bei den Organisatorinnen und Organisatoren bedanken. Schon zum achten Mal schaffen Sie hier einen Ort des kulturellen Austauschs – mit Musikerinnen und Musikern aus Angola, Burkina Faso oder Ruanda, mit literarischen Vorträgen der afrikanischen Diaspora oder Möglichkeiten, die kulinarische Vielfalt des Kontinents zu entdecken. Ich habe gern wieder die Schirmherrschaft übernommen. Denn Afrika ist Chancen- und Wachstumskontinent!
Ich wünsche Ihnen viel Spaß und gute Begegnungen!